2 Millionen Gutachten mangelhaft

Warum stehen Gutachten im Familienrecht so in der Kritik?

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Kritiken an Gutachten in Familienrecht. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes gibt es pro Jahr an deutschen Familiengerichten 270.000 Sachverständigengutachten.

Nach einer Studie der IB-Hochschule Berlin sind 3 von 4 Gutachten eigentlich nicht verwertbar und werden laut dieser Studie als mangelhaft beschrieben. Das würde bedeuten das mehr als 200.000 Gutachten an deutschen Familiengerichten pro Jahr mangelhaft sind.

Rechnet man das mal auf 10 Jahre hoch, bedeutet dieses das in den letzten Jahren auf der Basis von 2 Millionen mangelhafter Gutachten im Familienrecht falsche Entscheidungen getroffen wurden.

2 Millionen mangelhafte Gutachten führen zu falschen Entscheidungen

In den vergangenen Jahren wurde auch in verschiedenen Medien über die mangelhafte Qualität von Gutachten im deutschen Familienrecht berichtet.

Bereits seit 2014 beschäftigt sich unser Team Väter und Mütter für Kinder, das hinter vaterlos.eu steht mit diesem Thema und wir haben in den letzten Jahren viel dazu beigetragen über die Arbeit von Sachverständigen zu informieren.

Auch eine Studie der Frau Prof. Christel Salewski und Herrn Prof. Stefan Stürmer kam zu dem Ergebnis das die große Mehrheit der Gutachten erhebliche Fehler aufwiese.

Hierbei stellten die beiden Professoren auch fest, das dieses nicht auf eine mangelhafte Qualifikation zurückzuführen sei. Mehr als 90 % der überprüften Gutachten wurden von Dipl-Psychologen erstellt. Der rechtmässig erworbene Titel “Diplom-Psychologe” sagt also zunächst nichts darüber aus ob das Gutachten auch einer qualitativen Überprüfung stand hält.

Nun stellt sich die Frage warum so viele Gutachten fehlerhaft sind? Wir wollen hierzu einen Erklärungsversuch liefern. Wir weisen an dieser Stelle jedoch ausdrücklich darauf hin, das auch wir kein Patentrezept für die Erstellung von Gutachten haben. Jedoch sollte hier die deutsche Justiz und die deutsche Politik dieses Thema mal grundsätzlich thematisieren, damit der Verdacht das Gutachten willkürlich manipulierbar sind entsprechend auch endlich zurückgewiesen werden kann. Bis heute gibt es keine Basis für die Erstellung von Sachverständigengutachten. Jeder Sachverständige kann sein Gutachten so erstellen, wie er/sie es für richtig hält.

Warum sind soviele Gutachten fehlerhaft?

Das Problem bei Gutachten in Familienrecht ist zum Großteil darauf zurückzuführen, das es in der Psychologie keine generalisierenden Lösungsansätze gibt, wie es sie beispielsweise in der Physik oder in der Mathematik gibt.

Wenn ein Bau-Sachverständiger ein Baugutachten erstellen soll, greift er auf entsprechende Bauvorschriften, Materialwerte oder ähnliche validierbare Messdaten zurück.

Wenn ein Tüvsachverständiger ein Gutachten erstellt, dann greift dieser Sachverständige auch auf entsprechende Normen, Vorschriften usw. zurück.

Nahezu in jedem Bereich wo Sachverständigengutachten erstellt werden, können die Sachverständigen auf entsprechende Daten zurückgreifen und ihr Gutachten auf Basis dieser messbaren Daten erstellen.

Das führt dann in aller Regel dazu, das ein anderer Sachverständiger auf Basis der gleichen messbaren Daten zu dem gleichen Ergebnis kommt.

Kurz gesagt: Wenn ich mit meinem Auto zum TÜV fahren, ist es egal ob ich zum TÜV nach München, Hamburg oder Celle fahre. Im wesentlichen findet überall die gleiche Überprüfung statt und grundsätzlich bekomme ich dann auch das gleiche Ergebnis. Weist mein Auto erhebliche Mängel auf, besteht mein Auto bei keinem Prüfer die Überprüfung. Ist mein Auto jedoch in allen Punkten technisch einwandfrei und entspricht den geltenden Normen, kann mir auch kein Prüfer die Tüvplakette verweigern, nur weil ihm vielleicht die Farbe oder die Marke meines Autos nicht gefällt oder weil ich im möglicherweise unsympathisch bin.

Bin ich dem TÜV-Prüfer gegebenenfalls unsympathisch, dann kann er zwar etwas genauer suchen, aber er kann mir die TÜV-Plakette nicht verweigern, nur weil ihm vielleicht die Farbe oder die Marke meines Autos nicht gefällt. Der TÜV-Prüfer hat also keine Möglichkeit neue Regeln aufzustellen nur um mich durchfallen zu lassen. Umgekehrt hat der TÜV-Prüfer auch keine Möglichkeit ein verkehrsuntaugliches Auto als verkehrstauglich zu betiteln, nur weil ihm vielleicht die Farbe des Autos gefällt oder weil es ein alter Oldtimer ist oder oder oder…

Hier gilt immer: Gleiche Regeln für Alle.

Im Familienrecht kann jeder Sachverständige sein Gutachten so erstellen, wie er/sie es für richtig hält.

Bei Sachverständigengutachten im Familienrecht ist das anders. Da es keine einheitlichen Richtlinien welche Daten bei einem Sachverständigengutachten wichtig und/oder richtig sind, werden dem Sachverständigen Tür und Tor dafür geöffnet, sein Gutachten willkürlich so anzupassen, das das gewünschte Ergebnis rauskommt. Das heisst natürlich nicht, das jeder Gutachter das auch macht, aber jeder Gutachter hat die Möglichkeit dieses zu tun.

Das wäre in etwa so, als wenn der Schiedsrichter nach dem Fussballspiel erst darüber entscheidet wer gewonnen hat und die Regeln von Mal zu mal ändern kann. Auch beim Fußball gibt es klare Regeln. Am Ende hat eben die Mannschaft gewonnen die mehr Tore geschossen hat und nicht die Mannschaft, die vielleicht das schönste Trikot hatte oder die am meisten km gelaufen ist usw…

Erziehungsfähigkeit ist nicht messbar

Im Familienrecht sind bestimmte Daten, wie beispielsweise die Erziehungsfähigkeit nicht messbar, da es auch hier unter den Fachkräften entsprechende unterschiedliche Meinungen gibt und kein Mensch fehlerfrei ist. Und somit kann der Sachverständige selbst entscheiden welche „Fehler“ er sucht und dann diese „Fehler“ als Entscheidungskriterium heranziehen.

Auch die Erziehungseigenschaften und die Erziehungsaufgaben von Vätern und Müttern unterscheiden sich und ergänzen sich damit idealerweise. Beispielsweise ist es eher die Aufgabe der Mutter das Kind „zu behüten“ und die Aufgabe des Vaters ist es beispielsweise das Kind in seinem Selbstbewusstsein zu bestärken und mehr zur Eigenverantwortung zu erziehen. Das kind benötigt beide Erziehungsstile von beiden Eltern. Weder das eine ist richtig, noch das andere ist falsch. Vielmehr ergänzen sich beide Erziehungsstile. Das ist natürlich nur eins von vielen Beispielen wo Gutachter in einen Konflikt geraten können und häufig auch geraten. Und es gibt auch Sachverständigen, die dann darüber urteilen, welcher dieser sich ergänzenden Erziehungsstile richtig ist. Das wäre in etwa so als ob ein Sachverständiger darüber urteilen sollte mit welchem Bein ich schneller laufe.

Um hier Missbrauch und Willkür zu vermeiden, ist es unabdingbar, das Betroffene Eltern auch über ihre Erfahrungen berichten können und sich auch mit anderen Eltern austauschen können. Hierzu leistet vaterlos.eu aktuel mit mehr als 600 aufgelisteten Sachverständigen, mehr als 3000 (!!!) Kommentaren und regelmässigen Seminaren seit Jahren einen starken Beitrag.

Mehr als 3000 Erfahrungsberichte auf vaterlos.eu !

Dabei lassen wir ausdrücklich auch kontroverse Meinungen zu. Dieses hilft gegebenenfalls auch den Betroffenen Eltern sich entsprechend selbst zu reflektieren, da (trotz aller berechtigter Kritik) natürlich nicht jedes Sachverständigengutachten auch falsch ist.

Das ist dann aber nur der erste Schritt. Der nächste Schritt muss sein, das hier auch eine öffentliche Debatte darüber stattfinden muss, welches Elternverhalten richtig oder wünschenswert ist und welches Verhalten nicht. Und diese Werte können dann auch sehr objektiv überprüft werden und als Basis für familiengerichtliche Entscheidungen herangezogen werden. Denn schliesslich geht es hier um die Kinder und da sollte uns keine Anstrengung zu gross sein.

Die Meinung der Gutachter im Familienrecht heisst übrigens deswegen “Meinung” weil es eben nur eine Meinung ist, nicht mehr und nicht weniger. Und das Problem bei Meinungen ist, das wenn wir mehrere Leute nach ihrer Meinung fragen, das wir eben auch unterschiedliche Meinungen bekommen.

Würden wir jedoch überprüfbare Daten und Fakten überprüfen, würden wir auch einheitliche oder zumindest einheitlichere Ergebnisse bekommen und die deutliche Kritik an den Sachverständigen und auch die Kritik am deutschen Rechtsstaat würde deutlich zurückgehen.

Norbert Blüm wies in seinem Buch “Wider die Willkür” bereits auf die Missstände im deutschen Rechtssystem hin und es ist nicht länger hinnehmbar das diese Missstände weiterhin geduldet werden.

Jetzt erst Recht. Wir berichten weiter!

Zwar gibt es Sachverständige, die uns die Berichterstattung verbieten wollen, aber wir werden uns niemals einschüchtern lassen. Am Dienstag den 09.06.2020 findet vor dem OLG Celle eine entsprechende Verhandlung statt. Wir haben vor ein paar Tagen auf dieses Verfahren hingewiesen und die zahlreichen Rückmeldungen innerhalb kürzester Zeit haben uns noch mal darin bestärkt auch zukünftig mutig für unsere Arbeit einzugestehen und uns nicht einschüchtern zu lassen. Wir werden weiterhin daran arbeiten, die Missstände aufzuklären. Jetzt erst Recht.

Dieses machen wir auch im Interesse aller derjenigen Gutachter, die eine wirklich gute Arbeit leisten und die auf unserer Seite auch positive Kommentare erhalten. Es zeigt sich also, das es auch anders geht.

 

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