25 W 94/13 | OLG Hamm: PKH Kostenvorschuss für Privatgutachten

14.05.2013 | 25 W 94/13 | OLG Hamm

Oberlandesgericht Hamm, 25 W 94/13 Kostenvorschusses an den PKH-Anwalt für ein Privatgutachten seines Mandanten

Datum: 14.05.2013
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper: 25. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 25 W 94/13

Vorinstanz: Landgericht Dortmund, 21 O 364/07

Gewährung eines Kostenvorschusses an den PKH-Anwalt für ein Privatgutachten seines Mandanten

Normen:
§§ 33 Abs. 3, 46 Abs. 1, 47 Abs. 1, 56 Abs. 2 RVG, § 670, 675 BGB
Leitsätze:

Zu der Vergütung eines PKH-Anwalts im Sinne des § 47 Abs. 1 RVG zählen auch Auslagen, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung seines Auftrags erforderlich sind, z.B. die Kosten für die Einholung eines für die sachgerechte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seiner Partei erforderlichen Privatgutachtens. Dem beigeordneten Rechtsanwalt ist für derartige Auslagen aus der Staatskasse ein angemessener Vorschuss gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG zu gewähren.

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und der Kostenbeamte des Landgerichts Dortmund angewiesen, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers einen Vorschuss von 10.000 € auszuzahlen.

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Gründe:
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Die nach § 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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I.
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Das Landgericht hat die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die Ablehnung der Anweisung eines Kostenvorschusses für die Einholung eines Privatgutachtens zu Unrecht zurückgewiesen, denn der diesbezügliche Antrag war zulässig und begründet.
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1.
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Dem Antrag fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Landgericht bereits am 27.02.2013 die mündliche Verhandlung geschlossen hat und der Kläger aufgrund dessen nicht mehr die Möglichkeit hat, das durch das Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten mithilfe eines Privatgutachtens anzugreifen. Der Kläger hat im Falle der Zubilligung eines Kostenvorschusses zumindest die Möglichkeit im Falle eines auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gestützten ihn beschwerenden Urteils des Landgerichts, dieses im Wege der Berufung gestützt auf ein Privatgutachten anzugreifen.
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II.
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Der Antrag auf Gewährung eines Kostenvorschusses ist auch in der Sache gerecht-
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fertigt.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers kann nach § 47 Abs. 1 RVG wegen seiner Vergütung einen Vorschuss beanspruchen. Zu der Vergütung zählen auch die Auslagen des Rechtsanwalts, es sei denn, sie waren nach § 46 Abs. 1 RVG zur sachgemäßen Durchführung des Auftrages nicht erforderlich.
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1.
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Die Aufwendungen für die Einholung eines Privatgutachtens stellen im vorliegenden Fall Auslagen des Rechtsanwalts dar. Hierzu rechnen Aufwendungen des Rechtsanwalts, die der beigeordnete Rechtsanwalt tätigt, weil seine Partei hierzu nicht in der Lage ist, wie z. B. die Bezahlung von Privatgutachterkosten (vgl. dazu Zöller/Geimer § 121 ZPO Rdnr. 39 mit weiteren Nachweisen, § 122 ZPO Rdnr. 7, OLG Stuttgart KoRsp § 126 BRAGO Nr. 20 mit Anmerkung Schneider, Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.10.1994 AZ: 11 L 6302/91, Tz. 2, 3).
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Zu den Auslagen im Sinne des § 46 Abs. 1 RVG, rechnen alle Aufwendungen, die der beigeordnete Rechtsanwalt aufgrund des Mandantenverhältnisses nach §§ 670, 675 BGB von seinem Mandanten beanspruchen kann, denn § 46 Abs. 1 RVG beinhaltet keine Begrenzung der Erstattungsfähigkeit auf bestimmte Ausgabenarten (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht aaO). Zu den nach § 670 BGB erstattungsfähigen Aufwendungen rechnen auch Privatgutachterkosten, wenn sie der Rechtsanwalt nach den Umständen für erforderlich halten darf. Da dies immer dann der Fall ist, wenn die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, besteht insoweit zwischen § 670 BGB und § 46 Abs. 1 RVG ein Gleichklang.
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Anderenfalls ergäbe sich eine systemwidrige Lücke im Rechtsschutz der bedürftigen Partei. Die Partei hat auch im Falle der Prozesskostenbewilligung Auslagen selbst aufzubringen (vgl. Zöller/Geimer § 122 ZPO Rdnr. 7). Ihr kann aus diesem Grund für die Begleichung von Privatgutachterkosten kein Vorschuss gezahlt werden.
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Würde man dann die von dem beigeordneten Rechtsanwalt vorgestreckten Aufwendungen für ein Privatgutachten nicht als Auslagen des Rechtsanwalts anerkennen, liefe dies auf eine Behinderung der bedürftigen Partei bei der auch ihr zustehenden umfassenden Wahrnehmung ihrer Rechte hinaus, denn sie müsste- wäre die Finanzierung nicht sichergestellt – auf eine zur Durchsetzung ihrer Rechte gebotene sachverständige Hilfe anders als die solvente Partei verzichten.
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Wenn aber die Privatgutachterkosten – falls sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren – als Auslagen anzuerkennen sind, soweit der Rechtsanwalt sie für die Partei beglichen hat, muss er – wenn er für die Partei ein Privatgutachten in Auftrag geben will – auch einen angemessenen Vorschuss beanspruchen können. Anderenfalls würde er zu einer Vorleistung gezwungen, was § 47 Abs. 1 RVG gerade verhindern will.
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2.
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Die Aufwendungen für die Beauftragung eines Privatgutachters sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich.
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In Bezug auf prozessbegleitend eingeholte Privatgutachten ist die Erstattungs-fähigkeit entsprechender Aufwendungen allerdings insoweit eingeschränkt, als es Sache des Gerichts ist, Beweiserhebungen durch Einholung von Sachverständigen-gutachten durchzuführen. Die Rechtsprechung hat die Erstattungsfähigkeit prozessbegleitender Privatgutachten aber dann bejaht, wenn es darum geht, ein gerichtliches Gutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.11.2001, AZ: 8 W 481/01, Tz. 6, sowie Beschluss vom 11.07.2007, AZ: 8 W 265/07 Rdnr. 11; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Tz. 14; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Tz. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Tz. 3) oder wenn eine Partei auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen angewiesen ist, um ihrer Darlegungs- und Beweislast zu genügen, Beweisangriffe abzuwehren oder Beweisen des Gegners entgegentreten zu können (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.02.1997, AZ: 10 W 21/97 Tz. 4; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.06.2001, AZ: 4 W 2053/01, Tz. 14; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2006, AZ: 10 W 52/06, Tz. 11; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.08.2007, AZ: 14 W 608/07, Tz. 5; OLG Celle, Beschluss vom 25.07.2008, AZ: 2 W 148/08, Tz. 3) oder wenn die Einholung des Gutachtens der Wiederherstellung der Waffengleichheit dient (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2007, AZ: 8 W 265/07, Tz. 11; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30.08.2006, AZ: 10 W 52/06, Tz. 11; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.03.2007, AZ: 15 W 7/07 Tz. 9).
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Hier ist die erstgenannte Fallgruppe einschlägig, denn der Kläger will hier ein Privatgutachten einholen, um das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen überprüfen zu können. Der Kläger ist – auch wenn er als gelernte Kaufmann und selbständiger Gewerbetreibender – über kaufmännische Kenntnisse verfügt, aufgrund seiner beruflichen Ausbildung nicht in der Lage, die betriebswirtschaftlichen Abhandlungen des gerichtlichen Sachverständigen in einem hinreichenden Maß zu hinterfragen und etwaige Widersprüche aufzudecken. Hierfür bedarf es der Hinzuziehung eines Betriebswirtes oder Steuerberaters.
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An der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Privatgutachters fehlt es auch nicht deshalb, weil der zu beurteilende Sachverhalts überschaubar ist und das gerichtliche Gutachten die Beweisfragen eindeutig und zweifelsfrei geklärt hat. Der Sachverständige hatte mit der Frage, ob der Kläger infolge seiner unfallbedingten Verletzungen Verdienstausfälle erlitten hatte, einen komplexen Sachverhalt zu bewerten, weil es darum ging, die Umsatz-, Kosten- und Gewinnentwicklung im Einzelnen zu analysieren. Die Beweisfragen wurden durch das Gutachten nicht zweifelsfrei geklärt, weil der Sachverständige die Ursachen der negativen Geschäftsentwicklung in dem Betrieb des Klägers auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Anhörung im Termin nicht eindeutig klären konnte. Vor diesem Hintergrund besteht bei dem Kläger, auf dessen Sichtweise es ankommt, ein anzuerkennendes Bedürfnis, die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus der dokumentierten Geschäftsentwicklung mit fachkundiger Hilfe in einem weitergehenden Maße zu hinterfragen als es der Kläger selbst tun konnte. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung über die Anhörung des Sachverständigen zeigt deutlich, dass es dem sachverständig beratenen Beklagtenvertreter eher möglich war, dem Sachverständigen zielführende Ergänzungsfragen zu stellen als dem Klägervertreter.
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II.
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Eine Kostenentscheidung ist nach § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG entbehrlich.

 

Quelle: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2013/25_W_94_13_Beschluss_20130514.html

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