07.01.2009 Landgericht München 9 O 20622-06
Krankenhaus muss Schmerzensgeld zahlen bei ungerechtfertigtem Kindesentzug
Schmerzensgeld für Eltern und ein Kleinkind bei unberechtigter Kindesentziehung aufgrund einer ärztlichen Fehldiagnose der Kindesmisshandlung
Immer wieder kommt es vor, das Jugendämter scheinbar vorschnell Kinder in Obhut nehmen. Für die Eltern ist das eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung. Wer diese psychische Belastung durchsteht und vor dem Familiengericht (Begutachtung) nachweisen kann, das die Kinder ungerechtfertigt entzogen worden sind, hat unter Umständen einen Anspruch auf Schmerzensgeld.
Im vorliegenden Fall wurde das Krankenhaus, das die falsche Diagnose gestellt hatte verurteilt mehr als 20.000 € Schmerzensgeld an die Eltern auszubezahlen wegen eines ungerechtfertigten Kindesentzuges. Zusätzlich musste das Krankenhaus den Großteil der Verfahrenskosten sowie die vorinstanzlichen Anwaltskosten bezahlen.
Blaue Flecken durch Spielen = Verdacht auf Kindesmisshandlung
Aufgrund von Hämatomen die nach Angaben der Eltern beim Spielen entstanden sind, verdächtigte das Jugendamt die Eltern der Kindesmisshandlung, was vom Krankenhaus auch bestätigt worden ist. Die Eltern gaben jedoch an, dass diese Diagnose „VOREILIG“ und „FALSCH“ erstellt worden ist und für solch eine Diagnose hätte es auch keine Anhaltspunkte gegeben. Weder die Familienanamnese noch ein ärztlicher Befund hätten eine solche Diagnose gestützt. Die Verletzungen seien mit der Unfallschilderung in Einklang zu bringen gewesen. Die gesamte Familie sei schwer traumatisiert worden.
Das Gericht folgte im Wesentlichen der Darstellung der Eltern und stellte fest:
Die Mitarbeiter der Beklagten haben die Diagnose „Verdacht auf Kindesmisshandlung“ unter Verstoß gegen die ärztliche Sorgfalt gestellt. (…) Die Verletzungen belegen weder für sich noch in der Gesamtschau aller Umstände eine Kindesmisshandlung. (…) Über die Unfallverletzungen hinausgehende Verletzungen konnten unstreitig nicht gefunden werden. (…) Der Klägerin zu 1) bis 3) steht somit ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 253
Abs. 2 BGB zu.
10.000 € Schmerzensgeld für das Kind
Die vorweisbare Fehldiagnose hat zur Inobhutnahme (…) geführt. Dies war von den Mitarbeitern der Beklagten ausweislich der Unterlagen der Zeugin … auch von
Anfang an so ins Auge gefasst worden. Damit liegt eine Freiheitsverletzung der Tochter vor. Hierfür hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 10.000,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend.
5.000 € Schmerzensgeld für jeden Elternteil
Bei den Eltern hat die Entziehung ihrer Tochter zu einer Gesundheitsverletzung und damit zu einer eigenständigen Rechtsgutsverletzung i. S. d. § 253 Abs. 2 BGB geführt. Die Eltern wurden 5 Tage stationär im Krankenhaus wegen einer akuten Belastungsreaktion stationär behandelt.
Weitere Informationen und Quellennachweis zum Thema Schmerzensgeld wegen ungerechtfertigtem Kindesentzug:
Presseinfo Landgericht München:
Für die Eltern war es ein Albtraum: Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes sieht in einem Münchener Kindergarten ein kleines Mädchen mit einem blauen Auge und hat den Verdacht, das Kind sei misshandelt worden. Zur Klärung wird das Mädchen in die Haunersche Kinderklinik gebracht, wo die Ärzte den Verdacht bestätigen: Ursache der Verletzung könne nur eine Kindesmisshandlung sein. Das Mädchen wird daraufhin den Eltern entzogen. Die völlig aufgelösten Eltern werden in Begleitung der Polizei in die Psychiatrie gebracht, nachdem der Vater der fünfköpfigen Familie in seiner Verzweiflung droht, er werde sich umbringen. Als klar wird, dass der Vorwurf der Kindesmisshandlung unhaltbar ist, befindet sich das Mädchen bereits fast vier Wochen in staatlicher Obhut: Das blaue Auge hatte sich die Kleine wie von den Eltern immer beteuert beim Zusammenstoß mit einer Türe geholt (weiterlesen hier klicken)
Presseinfo Ärztezeitung
Falsche Misshandlungsdiagnose – Klinik muss Schmerzensgeld zahlen
Nach einem Urteil des Landgerichts München 1 muss die Universitätsklinik der bayerischen Landeshauptstadt den Eltern einer kleinen Tochter wegen unrechtmäßigen Kindesentziehung je 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen, das Kind bekommt 10 000 Euro. (weiterlesen hier klicken)
Vollurteil bei openjur.de:
LG München I · Urteil vom 7. Januar 2009 · Az. 9 O 20622/06 https://openjur.de/u/473875.html