Privatgutachten sind zu berücksichtigen

Leserbrief

Privatgutachten sind zu berücksichtigen

Ich habe mir eigentlich mal gedacht, im Moment habe ich gerade etwas Zeitdruck, in die Leitsatzentscheidungen des BHG von 2014 rein zu sehen. Wenns nicht gebraucht wird, kann man gerade zur nächsten weiter. Nur das ist wirklich sehr viel Arbeit. Ich hätte halt eben gerne gewusst, ob dort etwas Brauchbares drin ist. 

Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrichter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall - wie auch im Fall sich wider-sprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt

 (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08, VersR 2009, 975 Rn. 7 m.w.N.). Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigenergeben, muss das Gericht ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären.







Entscheidung des EGMR in der Sache Kutzner ./. Bundesrepublik Deutschland (Klage Nr. 46544/99) vom 26.02.2002,  beschäftigt sich mit einer menschenrechtswidrigen, weil gegen Art. 8 EMRK verstoßenden deutschen Gerichtsentscheidung.

Ich zitiere die deutsche Übersetzung des Abs. 73 der Urteilsbegründung:
Die betreffenden Schlussfolgerungen können nicht einfach außer Acht gelassen werden, nur weil die Gutachten auf privater Basis verfasst wurden.

Damit ist durch das allerhöchste in Europa über familienrechtliche Angelegenheiten entscheidende Gericht endgültig klargestellt worden, dass sogenannte Privatgutachten von den Familiengerichten bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht beachtet werden müssen.

,,Im Einzelfall, nämlich wenn die Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen nicht von der Hand zu weisen sind, kann dies auch ohne einen besonderen Antrag eines der Beteiligten dazu führen, dass der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen gehalten ist, das Gutachten überhaupt nicht zu verwerten,

Dass das Gericht ein Privatgutachten beachten und den Einwänden darin ernsthaft nachgehen muss, hat jetzt der Bundesgerichtshof (im Zusammenhang mit einer Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung) sehr deutlich herausgestellt: BGH, Beschluss IV ZR 190/08 vom 12.1.2011




One thought on “Privatgutachten sind zu berücksichtigen

  1. Moerschner 11/11/2014 at 17:49

    Der WICHTIGSTE Hinweis bei JEDER Diskussion bzgl. Gutachten kann und muß folgender sein: NIEMAND braucht ein Gutachten über sich oder seine Kinder ergehen zu lassen, für die er/sie das Sorgerecht hat! Daher: bitte!: VERHINDERT sämtliche Gutachten, die ein Richter in Auftrag gibt, indem ihr sowohl gegenüber dem Richter, als auch gegenüber dem Gutachter, als auch gegenüber dem anderen Elternteil einen Zweizeiler verfaßt. Zusätzlich empfiehlt es sich, den Gutachter (meist Ärzte oder Psychologen) mit einer Klage bei Nichtbeachtung (sowohl vor ihrer standesrechtlichen Kammer, als auch zivilrechtlich) zu drohen.

    MEIN Kredo (als Betroffener, nicht als fachkundiger Rechtsanwalt ist daher folgendes -und ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen!):

    GUTACHTEN im Blick der hohen Gerichte:
    http://www.koeppel-kindschaftsrecht.de/netzkom8.htm

     „Gutachten – was gilt es zu bedenken und was kann ich gegebenenfalls dagegen tun?“ Inhaltsverzeichnis

    Verschiedene kluge Köpfe raten in familienrechtlichen Verfahren (insbes. bei Streit zwischen Eheleuten) dringend von Gutachten ab (z.B. Psychiaterin und Gutachterin Hanna Ziegert, Rechtsanwalt Saschenbrecker s. Fußnote1+2). Dies hat vielfältige Gründe:
    a. hohe Kosten von zwi. 2000,- und z.B. 10.000,- Euro
    b. nur fraglich objektiver Untersucherhaltung auch bei sogenannten Fachleuten (Gutachterstellen z.B.)
    c. fragliche oder fehlende Fachkompetenz in Bezug auf die Kenntnisse und neutrale Bewertung der umfangreichen weltweiten Forschung zur NOTwendigkeit der ständigen Präsenz beider Elternteile für eine gedeihliche Kindesentwicklung.
    d. demzufolge oft tradierte Argumentation ohne wissenschaftlichen Beleg für ihre Logik und den behaupteten Nutzen der ausgesprochenen Empfehlungen; Gutachter ENTSCHEIDEN (fast) immer für EINEN Elternteil, raten (fast) NIE, dass die Kinder weiterhin gleichwertigen Kontakt zu beiden Elternteilen haben sollen!!! Damit spalten und verschärfen sie den Konflikt!
    e. wirtschaftliches Interesse der Gutachter führt zu „passgenauen“ Empfehlungen an die Richter (um auch weiterhin Aufträge zu erhalten)-  oder andersherum:
    f. Richter suchen den Gutachter entsprechend den erwünschten Ergebnissen aus (d.h. keine neutrale Begutachtung, sondern Einflußnahme des Richters mit dem Ziel einer gewünschten -verfahrens- oder Richtermeinung-konformen Gutachterempfehlung
    g. Der Richter versucht auf diesem Weg seine Verantwortung zur Beurteilung der Sachlage auf den Gutachter abzuschieben, was zu einer faktischen Kompetenzverschiebung führt.
    h. Kinder werden im Rahmen der Trennungskonflikte weiteren Personen vorgeführt, vor denen sie der Zerreißprobe ausgesetzt werden, GEGEN einen Elternteil zu votieren, in dem sie äußern, dass sie LIEBER bei Mama oder Papa sind (was bisher fast alle Gutachter, Verfahrensbeistände, Richter, Jugendamtsmitarbeiter zu der schädlichen Entscheidung verleitet, diesen Elternteil zu bevorzugen -jedenfalls wenn es sich um die Mutter handelt- und den Kontakt zum Vater einzuschränken.
    i. Pathologisierung (Darstellung als krankhaft) normaler sozialer Verhaltensweisen und Interaktionen durch den Gutachter, die von den Begutachteten oft zu Recht als Beleidigung und Mißachtung ihrer Menschenwürde angesehen werden.
    j. extreme zeitliche Verschleppung des Verfahrens, d.h. der nächsten verändernden Gerichtssitzung um ca. 6-10 Monate!!!

    Folgende Informationen können Ihnen helfen, zusammen mit Ihrem Rechtsanwalt wirksame Schritte zur Verhinderung eines Gutachtens zu tätigen:

    VOR einem Beschluß für ein Gutachten hat der Richter IMMER die Pflicht, die Parteien anzuhören (was er meist unterläßt! Unterläßt er es, können die Betroffenen den Richter mittels Anhörungsrüge ermahnen, dies nachzuholen, und hierbei sofort alle Einwände gegen diese Idee vorbringen). Gerne quittieren die Richter diese Ermahnung mit einer Zurückweisung der Anhörungsrüge (dies ist aber eine Fehleinschätzung des Richters:
    („Inhalt und Umfang der Begründung haben sich am Zweck der Entscheidungsgründe zu orientieren, die Beteiligten müssen von der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt werden, es muss zumindest ersichtlich sein, daß deren Sach- und Rechtsausführungen erwogen wurden (BVerfG 58, 353 = NJW 82,30))
     

    Diese Zurückweisung eröffnet den SOFORTIGEN Weg ans Bundesverfassungsgericht, das hier einschlägig zugunsten des nicht angehörten Klägers entschieden hat:
     BVerfG, [1 BvR 2157/10] (Absatz 22 ff: .

    Ist der Beschluß des Gerichtes für ein Gutachten hingegen ordnungsgemäß ergangen, kann das Gutachten durch Beteiligungsverweigerung verhindert werden, hierzu:
     (BGH, XII ZB 68/09): http://www.streifler.de/kindeswohl-3a-kein-begutachtungszwang-fuer-eltern–_5865.html
    „Kindeswohl: Kein Begutachtungszwang für Eltern
    In einem gerichtlichen Verfahren, in dem das Gericht mit geeigneten Maßnahmen eine Gefährdung des Kindeswohls abwenden soll, ist der Richter in seinen Anordnungen nicht völlig frei. So kann er ein Elternteil nicht zwingen, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen.
    Der BGH entschied, dass die Mutter ihre Teilnahme zu Recht verweigert habe. Das zuständige Gericht könne sie wegen des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht dazu zwingen, sich durch einen psychiatrischen Gutachter untersuchen zu lassen. In der Verweigerung liege auch kein Verhalten, dass nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung zulasten der Betroffenen gewürdigt werden könne. Die Weigerungshaltung der Mutter verstoße weder gegen Treu und Glauben noch sei sie nach allgemeinem Rechtsempfinden als verwerflich anzusehen. In Betracht komme allerdings, den die Begutachtung verweigernden Elternteil in Anwesenheit eines Sachverständigen gerichtlich anzuhören. Zu diesem Zweck dürfe das persönliche Erscheinen des Elternteils angeordnet und ggf. gerichtlich durchgesetzt werden

    alternativ auch: OLG Frankfurt/M. – FGG § 33; BGB § 1666 (6. FamS in Darmstadt, Beschluß v. 26.10.2000 – 6 WF 168/00)

    1. Ein kinderpsychologisches Gutachten darf nicht gegen den Willen des sorgeberechtigten Elternteils eingeholt werden; entsprechende vorbereitende Zwangsmaßnahmen sind daher unzulässig.

    Denkbar ist auch, dass nur ein Elternteil die Begutachtung nicht will: hier ist an eine Untersagung zur Begutachtung der Kinder zu denken.
    Allerdings wäre denkbar, dass der Richter diese Untersagung mit einem Teilentzug des Sorgerechtes quittiert (Für den Teilbereich Begutachtung), so dass der willige Elternteil mit den Kindern zum Gutachter ziehen könnte, wogen mittels einstweiliger Verfügung Beschwerde eingelegt werden könnte (beim OLG oder bei Eilbedürftigkeit wegen nahem Termin ebenfalls zusätzlich BverfG?).

    Wird hier ein zeitlicher Engpass durch den Richter hergestellt, kann dieses BVerfG-Urteil weiterhelfen, das das Recht auf Beschwerde beim OLG und GLEICHZEITIG das Recht auf Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf einstweilige Verfügung bejaht: (2. Kammer des 1. Senats, Beschluss v. 2.12.2009 – 1 BvR 2797/09)

    Sieht man einen Nutzen in der Erstellung eines Gutachens durch einen selbst ausgewählten Gutachter, so hat der EuGH geurteilt, dass dieses vom Gericht gewürdigt werden muß:
    EGMR: (4. Sektion, Urteil v. 26.2.2002 – Beschwerde Nr. 46544/99 [Kutzner/Deutschland])
    4. Eine Inpflegenahme kann gegen Art. 8 EMRK verstoßen, wenn sie sich auf widersprüchliche gerichtliche Sachverständigengutachten stützt, von den Eltern eingeholte Privatgutachten nicht berücksichtigt und zusätzliche Fördermaßnahmen nicht ausreichend erwogen werden.
    Wichtig zu wissen: Es steht jeder Prozesspartei gemäß §§ 397, 402 ZPO frei (die gemäß §30FamFG ebenfalls für familiengerichtliche Verfahren Anwendung finden), zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs das Recht zu, den Sachverständigen zu seinem schriftlichen Gutachten mündlich befragen zu können. Der Tatrichter muß entsprechend dem von einer Partei rechtzeitig gestellten Antrag, stattgeben!
    1. Hanna Ziegert (37.30 Min.): „Ich weiß nicht, ob ich mich jemals würde begutachten lassen“ in Beckmann ARD 15.8.13:
    2. Thomas Saschenbrecker bei der Tagung „Die Richter und ihre Denker“ am 24.8.13: „. . . . aber man kann heute guten Gewissens keinem Elternteil mehr raten, sich begutachten zu lassen! . . .“ (18.00 min) http://www.youtube.com/watch?v=-FXzBQrC5fA

    Weitere aufschlußreiche Links zum Thema „Gutachten“
    http://www.allenkindernbeideeltern.de/pdf/FAMILIENPSYCHOLOGISCHE_GUTACHTEN.pdf
    Gerichtsurteile zu Gutachten bis zum Jahr 2000: http://www.koeppel-kindschaftsrecht.de/netzkom8.htm
    http://de.wikimannia.org/Familienpsychologische_Gutachten
    http://www.vaeternotruf.de/gutachter.htm
    http://www.system-familie.de/gutachten11.htm
    http://www.system-familie.de/gutachten6.htm und die weiteren Kapitel aus dem Aufsatz!

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