OLG München: eigenmächtige Beweiswürdigung rechtfertig Besorgnis der Befangenheit der Sachverständige

15.07.2020 OLG München 26 WF 650/20

(Vorinstanz FG München 535 F 11374/18)

Würdigung von nicht bewiesenen Anschuldigungen

Bei Begutachtungen kommt es immer wieder zu gegenseitigen Anschuldigungen und Vorwürfen. Immer wieder kommt es auch dazu, das Gutachter sich dazu ermächtig fühlen, solche Anschuldigungen zu würdigen. Für viele Betroffene stellt sich die Frage inwieweit solche „Vorverurteilungen“ durch eine(n) Gutachter(in) die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Mit dieser Frage hatte sich aktuell in 2020 das Oberlandesgericht München beschäftigt.

Schuldvermutung durch Sachverständige rechtfertigt Besorgnis der Befangenheit

Im konkreten Fall ging es um den Vorwurf eines Kindesmissbrauch durch den Kindesvater, den die Mutter dem Vater vorgeworfen hatte. Der Vater widerum hatte dann widerum der Mutter vorgeworfen, das die Mutter den Vater vorsätzlich zu Unrecht eines Kindesmissbrauchs verdächtigt habe. Aber weder Vater noch Mutter waren strafrechtlich verurteilt worden.

Obgleich hier für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung hätte gelten müssen, würdigte die Sachverständige die Beweislage zu Ungunsten der Mutter. Die Mutter bestritt das sie den Vater „vorsätzlich“ zu Unrecht verdächtigt habe. Die Sachverständige legte in ihrem Gutachten jedenfalls nicht dar, ob es nicht aus Sicht der Mutter wenigstens subjektiv verständliche Gründe gegeben haben könnte, die eine Anzeige der Mutter rechtfertigen können.

OLG München sieht Kompetenzüberschreitung der Gutachterin

Nach Ansicht der Richter überschritt die Gutachterin damit ihre Befugnisse und das rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit. Die Sachverständige sei zwar nicht daran gehindert gewesen, gesicherte feststehende Tatsachen in die Begutachtung einzubeziehen auch ohne das eine strafrechtliche Verurteilung erfolgt sein muss. Die Sachverständige würde jedoch ihre Befugnisse überschreiten, wenn sie „Beweise selbst würdigt“ oder einem Elternteil Absichten unterstellt, die durch keine konkreten Tatsachen belegt werden können.

Desweiteren hatte der Vater der Mutter auch Drogenkonsum unterstellt, ohne dieses beweisen zu können. Auch diese Äusserungen nahm die Sachverständige als wahre Tatsachenbehauptung an, obgleich es hier keinen Beweis gab.

In der Urteilsbegründung heisst es:

„Die Sachverständige ist im Rahmen ihrer Begutachtung mehrfach zu Einschätzungen gelangt, die sich zum Nachteil der Kindsmutter auswirken, aber nicht hinreichend durch unstreitige oder nachgewiesene Tatsachen gedeckt sind, sondern vielfach auf Vermutungen und Schlussfolgerungen sowie aus eigener Beweiswürdigung beruhen.“

Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts wird das komplette Urteil kann unter nachfolgendem Link (anonymisiert) zur Verfügung gestellt.

26 WF 65020 OLG München Sachverständigenablehnung wegen Kompetenzüberschreitung




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