Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 14.06.2018
– 9 UF 96/17 –
Elterliche Sorge: Festschreibung eines praktizierten paritätischen Wechselmodells trotz gegenläufiger Anträge zum Aufenthaltsbestimmungsrecht
In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Brandenburg stritten Vater und Mütter über das Aufenthaltsbestimmungsrechts ihres gemeinsamen Kindes. In der Vorinstanz (AG Oranienburg, 04.04.2017 – 33 F 95/15) wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht zunächst auf den Vater übertragen, weil dieser laut eingeholten Sachverständigengutachten über eine höhere Bindungstoleranz verfügte als die Mutter.
Dagegen wehrte sich die Mutter und wollte dann ihrerseits das Aufenthaltsbestimmungsrecht haben und ging mit dieser Forderung in die Beschwerde.
Nach 14 Monaten dann die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg, das hier weder dem Vater noch der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertrug, sondern die Fortführung eines Wechselmodells anordnete…
(sinngemäss und vereinfacht ausgedrückt):
Es ist zwar richtig das der Vater in diesem Fall über eine höhere Bindungstoleranz als die Mutter verfügt. Da im Vorfeld aber beide Beteiligten ein Wechselmodell durchgeführt haben, sah es das Oberlandesgericht so, das hier im Wege eines Sorgerechtsverfahrens ein Wechselmodell vom Gericht angeordnet werden kann. Zur Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus, das sich die Situation für das Kind durch das Wechselmodell auch verbessert hatte und im wesentlichen auch zu einer Reduzierung der Konflikte beigetragen hat.
Wechselmodell führt zu einer Konfliktreduzierung und dient dem Wohl des Kindes
In dem Urteil heisst es unter anderem:
- (…) Die praktizierte Betreuung im Wechselmodell hat (…) zu einer deutlichen emotionalen Stabilisierung des Kindes beigetragen. (…) Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat haben Vater und Mutter eingeräumt, dass E… ruhiger geworden ist und ihm das Pendeln zwischen den Haushalten nichts ausmacht; eine paritätische Aufteilung der Betreuungszeiten – wie bisher – sei für ihn das Beste. (…) Bei diesen Gegebenheiten ist die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung geboten. Im wohlverstandenen Interesse des Kindes muss sichergestellt werden, dass kein Elternteil das (gemeinsam) gewählte Betreuungsmodell in Form einer geteilten Betreuung des Kindes einseitig aufkündigen kann, indem es den Lebensmittelpunkt des Kindes in seinen Haushalt verlagert. Dies würde – aus den oben angeführten Gründen – dem Wohl [des Kindes] zuwiderlaufen. (…)
Das aktuell praktizierte paritätische Wechselmodell (…) war festzuschreiben. Allein diese Form der Betreuung entspricht derzeit dem Wohl des betroffenen Kindes am besten. (…) Bei der (…) vorgenommenen Festschreibung des aktuell praktizierten paritätischen Wechselmodells handelt es nicht um eine gerichtliche Anordnung, sondern die Umsetzung der von den Eltern im Interesse des Kindes einvernehmlich getroffenen Entscheidung, das bisher praktizierte Wechselmodell fortzuführen. (…) Vielmehr hat er dem Willen der Eltern Geltung verschafft und ihre einvernehmlich erzielte Einigung, den gemeinsamen Sohnes E… weiterhin im Rahmen eines Wechselmodells zu betreuen, umgesetzt. Hierfür waren allein Gründe des Kindeswohls bestimmend. (…)
Das vollständige Urteil kann auf der Seite des OLG Brandenburg abgerufen werden. (hier klicken)
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