Da stand ich nun

Trennungsmutter Alexandra* berichtet von ihrer Trennung und wie sie es geschafft hat ein Wechselmodell durchzubekommen

Da stand ich nun, nach meiner Trennung, ganz allein, ohne meine Kinder, ohne ein Dach über dem Kopf, ohne meine mit vertraute Umgebung und die mir vertrauten Menschen.

Dabei war meine Trennungsintention freundschaftlich geprägt „ So geht es für uns nicht mehr weiter, die Trennung ist eine Chance für uns beide, wieder neu anzufangen.“ Was dann kam, hatte ich niemals, auch nicht im entferntesten jemals für möglich gehalten. Mein Exmann bediente sich der kompletten Palette an „schmutzigen Trennungstricks“. Von „du bis psychisch krank und hast die Familie zerstört“, „du hast die Familie in den finanziellen Ruin getrieben“, bis hin zum Polizeieinsatz mit der Vortäuschung eines geplanten Suizides („Ich habe Angst sie tut sich und den Kindern etwas an“). Und das war nur der Anfang und auch nur ein kleiner Ausschnitt.

Mit meinen Kräften war ich zu diesem Zeitpunkt bereits am Ende, Familie und Freunde standen auf seiner Seite, was mich noch erwarten würde wusste ich nicht. Ich hatte Angst, eine unglaubliche Angst. Davor was kommen wird.

Es kam folgendermaßen: Er als Hauptverdiener der Familie konnte das neu gebaute und komplett verschuldete Haus halten, ich hätte berufsbedingt 300 km weit weg ziehen müssen. Wir trafen uns vor Gericht. Das Gericht entschied: die Kinder bleiben bei ihm, im Haus, in gewohnter Umgebung, ich als bisherige Hauptbetreuungsperson unserer Kinder soll alleine wegziehen. Unsere Kinder blieben also beim Vater, der seinen Triumph sichtlich genoss und voll auskostete. Ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Kinder und auf die Situation, dass ich unseren Wohnort nicht verließ, 2 Häuser von meinem alten Zuhause entfernt bei meinen Eltern einzog, mir vor Ort eine Anstellung suchte und weiterhin für unsere Kinder da sein konnte und wollte. Das wollte er nicht. Weil er halt nicht wollte. Und das bekamen die Kinder und ich zu spüren.

Anfangs habe ich mich im Selbstmitleid gesuhlt

traurige Frau
traurige Frau

Lange Rede kurzer Sinn, wie gings weiter? Ich habe mich bis zu unserer Scheidung im Selbstmitleid gesuhlt, jedem der es hören wollte – oder auch nicht – meine Geschichte erzählt. Vom bösen Vater, der mir armen Mutter die Kinder und umgekehrt weggenommen hat. Unsere Kinder sah ich zu diesem Zeitpunkt an zwei Nachmittagen die Woche und jedes zweite Wochenende. Unsere Zeit war begrenzt, dafür sehr intensiv, genauso intensiv wie die Zeit zwischen diesen Tagen, in der ich kinderlos war. Ich wollte diese freie Zeit für mich nutzen und lernte Herrn Creydt kennen, der mir über die ersten seelischen Schmerzen hinweg half und ganz essentiell wichtige Tipps für die Zukunft als Trennungseltern gab.

Und jetzt komme ich an den Punkt, den ich an euch Trennungseltern weitergeben möchte. Verliert euch nicht in euren Geschichten! Ihr könnt die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machen. Verzeiht euch eure Fehler – übertragt sie nicht auf eure Expartner, Schwiegereltern, oder oder oder. Nutzt eure freie Zeit um an euch und eurem ganz persönlichen Schmerz zu arbeiten und nach Lösungen zu suchen. Nehmt Hilfe in Anspruch. Hilfe gibt es sogar kostenlos, z.B. bei euren Caritas Verbänden vor Ort.

Ich wollte damals die Situation unserer Kinder besser verstehen und Wege finden, sie durch diese schwierige Zeit zu begleiten. Die Familienberatungsstelle der Caritas half mir dabei. Dabei kam bei mir die Frage auf: Welche Mutter möchte ich unseren Kindern sein? Welche Werte möchte ich ihnen vermitteln und was möchte ich ihnen in ihrer Erziehung mitgeben? Ich begann im Internet zu recherchieren und verschlang Büchern zu Entwicklungspsychologie, bedürfnisorientierter Erziehung, und gewaltfreier Kommunikation. Ich wollte unsere Kinder verstehen, deren Reaktionen und Gefühlsausbrüche verstehen und begleiten. Ich wollte verstehen wie genau ich am besten für die Kinder da sein kann, wie ich sie unterstützen kann, wie ich es ihnen leicht machen kann. Ich fand Schritt für Schritt meinen Weg, lernte mich als Mutter und als Mensch besser kennen. Das Vertrauen in mich selbst kam zurück, meine Intuition meldete sich wieder und ich merkte, ich kann ihr vertrauen! Und das spürten unsere Kinder; unsere Bindung wurde noch stärker. Die Kinder forderten mehr Zeit mit mir – der Vater sagte klipp und klar NEIN.

Und ich? Ich hatte mal wieder Angst. Angst davor, für die Bedürfnisse unserer Kinder und für meine Bedürfnisse einzustehen. Diskutieren half bei meinem Exmann nicht weiter, ich war ihm rhetorisch unterlegen. Also suchte ich nach neuen Wegen. Ich bündelte mein Wissen, kommunizierte alleine nahezu ausschließlich schriftlich mit ihm und suchte mir Experten. Unser Wunsch – oder nennen wir es Ziel – war: Wir wollen das Wechselmodell. Wir wollen Alltag, wir wollen Zeit miteinander!

Ab sofort wird das Wechselmodell umgesetzt

Mutter mit Tochter

Ich sammelte alle Infos über das Wechselmodell die ich bekommen konnte, ich sprach mit dem Jugendamt, ich sprach mit Kinderpsychologen, ich sprach mit dem Kinderschutzbund, ich sprach mit Eltern, die dieses Modell leben, ich sprach mit den Lehrerinnen und den Erziehrinnen unserer Kinder, ich besuchte Fachvorträge, ich sprach mit dem Kinderarzt. Ich sprach auch mit meinem Exmann über unseren Wunsch, beim Jugendamt und bei der Caritas. Immer wieder, 2 Jahre lang. Und rannte bei meinem Exmann immer wieder gegen eine Mauer aus Ablehnung und Hass. Immer wieder suchte ich das Gespräch mit ihm. Konstruktiv und lösungsorientiert – das klappte auch nicht immer 😊. Aber dabei wurde meine Angst immer kleiner und kleiner. Und so entschloss ich mich schließlich, mich meiner größten Angst zu stellen: Einem Antrag auf die Umsetzung des Wechselmodells bei Gericht. Im Gerichtssaal hatte ich nur unsere Kinder und eine Lösung im Blick, ich lies mich nicht auf die Provokationen der Gegenseite ein. Vorwürfe konnte ich sachlich entkräften, wenn ich unsicher wurde sprang mein Anwalt genauso sachlich, mit den Kindern im Fokus für mich ein. 4 Wochen später kam der Beschluss: Ab sofort wird das Wechselmodell umgesetzt. Die Kinder und ich haben uns so so so so sehr gefreut! 😊 Wir genießen unsere gemeinsame Zeit, haben Routinen, meistern Corona und leben einfach zusammen. Das ist wunderschön!

Natürlich ist nicht alles Friede, Freude Eierkuchen… das gibt’s in keiner Familie. Und natürlich legte mein Exmann Beschwerde beim OLG ein und beantragte sogar eine einstweilige Aussetzung des Wechselmodells. Letzteres wurde bereits zurückgewiesen, das OLG legte ihm nahe auch seine Beschwerde zurückzuziehen, da sie keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Dieser Punkt steht aktuell noch aus. Und ich? Ich versuche mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und zu vertrauen. Ich bin mir bewusst, dass ich alles in meiner Macht stehende für das Wohlergehen und die aktuellen Bedürfnisse unserer Kinder getan habe. Und das ist weiß Gott nicht immer leicht und führt mich immer wieder an meine Grenzen.  Meine Grenzen, die ich mir immer wieder bewusst anschaue, die ich nicht mehr wegdrücke, für die ich Lösungen finde.

Wenn ich das schaffen konnte, schafft ihr das auch! Ihr schafft das für Euch und eure Kinder!

(* Anmerkung der Redaktion: Auf Wunsch der Mutter wurde der Name zur Anonymisierung geändert. Der Originalname ist uns bekannt und wir können die Authentizität der Geschichte bestätigen)

 

 

9 thoughts on “Da stand ich nun

  1. Nutelka 10/12/2020 at 15:30

    @ Alexandra: Danke fürs Erzählen Deiner Geschichte. Du bist nicht die einzige Mutter, der es so geht! Ich erkenne mich in vielen Teilen wieder. Und auch Vätern sollte das Mut machen.
    @Mario Fischer: Warum solche Beleidigungen? Anstatt gemeinsam für die Sache zu kämpfen, die sich nicht auf Mann/Frau bezieht, sondern das deutsche Familienrechtssystem, machst Du hier eine Mit-Betroffene runter:-(

  2. Elsa 27/07/2020 at 13:49

    An der Geschichte stimmt einiges nicht, denn das konkrete Len im neu erstrittenen Wechselmodell wird nicht beschrieben. Ich vermute sogar, die Geschichte ist ein Marketingtrick, eine Erfindung. Denn in der Realität ist es meist so, dass Eltern, die strittig sind, im Wechselmodell an den Kindern besonders zerren u sich gegenseitig boykottieren und die Erziehung unterlaufen. Nach so einem Streit plötzlich Friedefreudeeierkuchen ist unrealistisch.

  3. Antonios Palaskas 27/07/2020 at 12:17

    Oh….Nachdem die Kindesmutter zwei Jahre gekämpft hat und sich in der Zwischenzeit zur Fachfrau für das Wechselmodell ausbilden liess und sich hat psychologisch betreuen lassen müssen um den Schmerz überhaupt zu verkraften, hat sich das System ihrer erbarmt und ihr die Möglichkeit einer paritätischen Betreuung gegeben….

    Da staunt Mann nur noch, denn er muss mindestens 3x so lange kämpfen.

    Das vorherrschende System hat kein Interesse an intakten Familien, denn dies bedeutet für die angegliederte Streitindustrie Arbeitsverlust. Sie als Elternteil, glauben Sie ja nicht dass irgend ein Beteiligter auch nur das geringste Interesse hat Ihren spezifischen Fall zu lösen oder Frieden herzustellen, oder sich um das Kindeswohl kümmert. Mit viel Glück geraten Sie an einen guten Anwalt der Ihnen helfen kann – diese sind aber rar!

  4. Mike Richter 26/07/2020 at 20:14

    Mich überrascht nix mehr in diesem Land. Mütter treiben inzwischen ihre Kinder ab, da sie nicht zu ihrem neuen Partner im schwangeren Zustand umziehen dürfen. Dieses Land läuft auf einen Kollaps zu. Es kann mir keiner erzählen, dass dies alles keine Spuren in der Gesellschaft hinterlässt. Das macht mit den Menschen etwas und vor allem mit den Frauen. Am Ende wollen Frauen keine Kinder mehr. Sorry, jede Frau die sich gegen Kinder entscheidet tut das Richtige!!!

  5. Ggghg 26/07/2020 at 14:35

    Ich hätte es genauso machen müssen wie Dein Ex Mann aber nein ich habe an dass Kind gedacht und dass war der größte fehler !!

  6. Mario Fischer 26/07/2020 at 14:30

    Hallo,
    Du bist eine Frau/Mutter …..
    Meinst Du ein Vater hätte dass Wechselmodell bekommen wenn es umgekehrt gewessen wäre ?
    Wahrscheinlich hast Du tatsächlich zumind. Eine Zeitlang nichts getaugt.
    Trotzdem hast Du noch eine Chance bekommen, als Papa bekommt man vom ersten bist zum letzten Tag keine Chance.
    Warum auch !
    Alle verdienen mit an dieser Schweinerrei ..

    Der Papa und Sohn der seit 8 Jahren sich nichts sehnlichsteres Gewünscht hat wie dass Wechsellmodell.

  7. Tomasz 26/07/2020 at 11:15

    Eine sehr interessante Geschichte die ich sehr aufmerksam gelesen habe. Ich stecke als Vater in einer gleichen Situation und möchte das Wechselmodell. Diese Mutter bewundere ich für ihren Kampfgeist und Durchhaltevermögen für ihre Kinder.
    Hochachtung und alles Gute
    Tomasz

  8. Martina 26/07/2020 at 11:05

    Liebe Alexandra,

    ich danke Dir, das Du Deine Geschichte erzählt hast.
    Momentan befinde ich mich in der gleichen Situation.
    Ich wollte Wechselmodell, er verweigert Kontakt.
    Ich darf meine Kinder einen Nachmittag pro Woche zu sehen. Jedes zweite Wochenende mit einer Übernachtung.
    Meine Kinder sagen ihm, das sie mich öfter und mehr sehen wollen, ebenfalls Arztbesuche mit mir wahrnehmen wollen.
    Er ignoriert alles, bricht gerichtlich vereinbarte Elterngespräche ab.
    Inzwischen läuft das Gutachten und ich möchte Residenzmodell bei mir, weil die Kinder das inzwischen so wollen.

  9. thomas 26/07/2020 at 10:39

    sehr gut. korrekt. man muss sich kümmern, aktiv werden, sich der Situation anpassen und nicht durch drehen, sonst wird es sehr sehr schwierig. Man kann es schaffen!!
    Ich habe anfangs alle verurteilt, die nicht so gekämpft und aufgegeben haben. Mittlerweile habe ich erkannt, dass es Fälle und Menschen gibt, wo es so nicht geht. (finanziell, fehlende Flexibilität, Depressionen / Krankheiten, andere schwierige (Lebens-)Umstände) Ich wünsche jedem, der in diesen Strudel gerät, die Kraft und Klarsicht, dass es Wege in Form von Hilfe gibt.
    Vollkommen richtig in der Geschichte. Selbstmitleid / Opferrolle und das Verzeihen der Fehler sind dabei große Hürden, die es zu überwinden gilt.

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