06.02.2019 Bundesgerichtshof XII ZB 408/18
Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Kindeswohlgefährdung
Der Bundesgerichtshof hatte in vorgenannten Verfahren zu prüfen, inwieweit die Vorverurteilung des Lebensgefährten eine konkrete Kindeswohlgefährdung ist, die eine Herausnahme des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt rechtfertigt.
Darf der Staat in das Sorgerecht eingreifen, wenn die Mutter mit einem vorbestraften Sexualstraftäter zusammen lebt?
Im besagten Fall unterrichtet der Lebensgefährte die Mutter davon, das er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorverurteilt war. In einem Gutachten wurden dem Lebensgefährten im Rahmen dieses vorherigen Verfahrens eine narzistische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert mit einer pädophilen/hebephilen Nebenströmung.
In der Folge erfuhr das Familiengericht von dem Zusammenleben der Mutter (und ihrer Tochter) mit dem neuen Lebensgefährten. Daraufhin fand zeitnah ein Gespräch mit dem zuständigen Jugendamt statt, bei dem sowohl die Mutter als auch der Lebensgefährte teilnahmen. In diesem Gespräch erklärte sich der Lebensgefährte bereit, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Einen Tag nach diesem Gespräch (24.Januar2018) kam das Jugendamt und nahm die Tochter in Obhut, die dann bei Pflegeeltern lebte.
Vorbestrafte Sexualstraftäter stellen zwar ein gewisses Risiko für Kinder dar, rechtfertigen jedoch nicht zwingend einen Sorgerechtsentzug
Bei der anschliessenden Überprüfung des Falles inklusive Gutachten kam das Familiengericht zur Überzeugung das sorgerechtliche Maßnahmen nicht zu ergreifen seien und das Kind zur Mutter zurückdarf. Das Jugendamt legte hiergegen Beschwerde ein und das Oberlandesgericht bestätigte sodann die Rechtmässigkeit eines Sorgerechtseingriffes und schliesslich landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof.
Der Bundesgerichtshof bejahte zwar die potenzielle Gefahr durch den Lebensgefährten der Mutter, da er ja bereits früher mehrfach Kinder im gleichen Alter wie die Tochter der Mutter missbraucht hatte, kam jedoch zu der Überzeugung, das die Gefahr relativ abstrakt sei, zumal der Lebensgefährte sich in Therapie befände und seinen Therapeuten insoweit sogar von der Schweigepflicht entbunden hatte, damit der Therapeut sich an das Jugendamt hätte wenden können, für den Fall, das er seine Therapie abbrechen würde.