Unterhaltspflichtige müssen Nebenjob annehmen

Urteil Hammer
Urteil Hammer

Mit der gesteigerten Erwerbsobliegenheitspflicht eines unterhaltspflichtigen Vaters hatte sich kürzlich das OLG Bremen beschäftigt. (AZ 4 UF 113/16)

Unterhaltspflichtigen Eltern trifft gegenüber ihren minderjährigen Kindern nach dem Gesetz eine gesteigerte Unterhaltsverpflichtung.
Sie müssen daher notfalls auch eigentlich unzumutbare Tätigkeiten annehmen, um ihrer Erwerbsobliegenheitsverpflichtung nachzukommen. Kommen Sie dieser Verpflichtung nicht nach, müssen sie sich ein sogenanntes fiktives Einkommen anrechnen lassen, das zur Berechnung des tatsächlichen Unterhalts herangezogen wird.




Im vorliegenden Fall hatte der Vater zuvor seinen Job verloren und war nun arbeitsunfähig krankgeschrieben. Fakt ist, dass unterhaltspflichtige Väter einen zumutbaren Nebenjob annehmen müssen. Das OLG Bremen schrieb in seiner Urteilsbegründung:

„Aus § 1603 Abs. 2 BGB folgt die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft, um ihre Unterhaltspflicht ihren Kindern gegenüber zu erfüllen. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist daher nicht nur das tatsächlich erzielte Einkommen zu berücksichtigen. Vielmehr sind auch fiktiv erzielbare Einkünfte zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könnte. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt neben dem Fehlen subjektiver Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners voraus, dass die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv überhaupt erzielbar sind. Dies hängt unter anderem von persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand sowie vom Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen ab (BVerfG, FamRZ 2012, 1283). Eltern müssen dabei auch Gelegenheitsarbeiten oder berufsfremde Tätigkeiten unterhalb ihrer gewohnten Lebensstellung übernehmen (BGH, FamRZ 2013, 278 Rn. 20).“

„Im vorliegenden Fall erscheint unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner mit dem Antragsteller ausgeübten Umgangskontakte eine sechs Wochenstunden umfassende Nebentätigkeit zumutbar (…) Es sind (…) durchaus Nebentätigkeiten denkbar, die unter der Woche, insbesondere abends, ausgeübt werden können. Zu denken wäre an Tätigkeiten in der Gastronomie oder in der Reinigungsbranche. Der Senat geht davon aus, dass der Antragsgegner durch eine Nebentätigkeit in solchen, dem Niedriglohnsektor zuzurechnenden Bereichen nur den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,50 € erzielen kann.“

Das OLG Bremen orientierte sich dabei an der tatsächlichen Arbeitszeit des Vaters (40 Stundenwoche) und legte als Obergrenze (fiktiv) eine 46 Stundenwoche als zumutbare Belastung für den Vater fest und führte weiter aus:

„An dieser Unterhaltsverpflichtung ändern weder die vom Antragsgegner behauptete Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum ab 20.06.2016 noch die arbeitgeberseitig erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2016 etwas, so das der Vater auf Basis dieser fiktiven Berechnung bei einem Einkommen von derzeit knapp über 1000 € einen Unterhalt in Höhe von 342 € für sein Kind bezahlen muss.

Im Januar 2017 wurde der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € auf 8,84 € angehoben. Der mögliche Hinzuverdienst durch eine Nebentätigkeit steigt dann auf monatlich 229,84 € (8,84 € × 6 × 52 Wochen / 12 Monate). Unter Berücksichtigung von fiktiven berufsbedingten Aufwendungen i.H.v. 15 € verbliebe dem Antragsgegner ein fiktiver Nebenverdienst in Höhe von aufgerundet 215 €. Insgesamt stünden dann 350,32 € (135,32 € aus einer fiktiven Hauptbeschäftigung und 215 € aus einer fiktiven Nebentätigkeit) für Unterhaltszwecke zur Verfügung, sodass der Antragsgegner ab Januar 2017 (fiktiv) in der Lage ist, den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag i.H.v. 349 € zu zahlen.“

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2 thoughts on “Unterhaltspflichtige müssen Nebenjob annehmen

  1. Sunny 19/04/2017 at 13:25

    Grundlegend spricht das Gericht von Antragsteller und Antragsgegner. Was heißt!
    Das betrifft auch Mütter, sofern diese unterhaltsplichtig sind. Das kommt eben nur weniger vor.
    Bekannt sind mir aber auch Mütter, die keinen Unterhalt zahlen. Übrigens die meisten derer, die zahlen müssten. Aber das ist alles nicht so neu. Sollte der Lebensmittelpunkt der Kinder beim Vater sein, kann dieses Urteil auch als Bezugsurteil herangezogen werden. Allerdings sind dabei immer die Voraussetzungen im Einzelfall zu berücksichtigen. Andererseits scheuen sich Fam. – Gerichte leider auch, Gleichstellung walten zu lassen. Auch das ist (leider) eine Tatsache.

  2. Torsten 10/04/2017 at 17:06

    Asoziales Urteil vom Staat! Warum betreuen Vater und Mutter nicht gleichermaßen gemeinsam den Sohn und kommen finanziell für das Kind auf? Der Vater hat auch Unterhaltskosten. Wo wurden die berücksichtigt?

    Wie immer berücksichtigt der Staat die Bedürfnisse der Kinder nur in monetären Aspekten, und das auch noch fiktiv, die Zahlungen gehen aber an die Mutter.

    Wieviel Einkommen hat denn die Mutter? Das muss doch auch in die Rechnung für den Sohn eingehen!

    Ich weiß, Richter und Anwälte (innen) sind weltfremd eben. D. H. Fiktiv bei denen eben.

    Möchte die Mutter nicht etwa Karriere machen und hat die Mutter des Sohnes keine bessere Betreuungslösung gemeinsam mit dem Vater finden können als dass der Sohn seinen Vater nur alle 14 Tage sieht? Konnte die Mutter sich etwa nicht über Betreuung unterhalten und braucht den Staat als Zuh*r.

    An der Stelle des Vaters würde ich ein Antrag auf Wechselmodell stellen, und mich mehr in Betreuung des Kindes einbringen. Die Unterhaltspflichtig wäre mir nicht so wichtig. Mein Sohn wäre mir wichtiger.

    Fiktives Einkommen hin oder her, dann gibt es halt der Vater halt fiktive Schulden. Im Sozialrecht ein Kinderzimmer für das Kind erstritten (natürlich auf Staatskosten). Wen der Staat zerstreitet, darf sich nicht wundern, wenn Väter auf der Strecke bleiben und die Waffen woanders umgedreht werden.

    Mir wäre Zeit und eine gute Beziehung zum Kind lieber. Ein paar Schulden mehr? Who cares?

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